Naturnah oder ungepflegt? Ordentlich oder steril?

Manche Gärten sehen nach konventioneller Sichtweise auf den ersten Blick ungepflegt aus. Fakt ist aber: Je unterschiedlicher die Gärten sind, desto größer die ökologische Vielfalt.

Naturnahe Gärten sind in den heutigen Zeiten des Klimawandels widerstandsfähiger gegenüber Wetterextremen, schützen den Boden und bieten bedrohten Tieren und Pflanzen Schutz. Das ökologische Gärtnern ist auch Leitbild des Landesverbands Sachsen der Kleingärtner.
Auch der Stadtverband empfiehlt den „naturnahen Garten“ und ökologisch bewirtschaftete Flächen: „Der ökologische Nutzgarten wird mit Gemüsepflanzen, Gewürz- und Heilkräutern in Mischkultur bewirtschaftet. Eine Mulchschicht schützt den Boden vor Austrocknung und gedüngt wird mit selbst hergestelltem Kompost. Es wird die Anlage von Naturelementen wie Trockenmauern, Vogelschutzhecken, Tümpeln und Wildblumen empfohlen. Hier widerspricht nichts dem Bundeskleingartengesetz und der Rahmenkleingartenordnung des Landesverbandes. Die Kernaussage bleibt, der Gärtner bleibt der Gestalter des Gartens und schafft Nischen für viele Lebewesen.“

Ideen und Tipps gibt es z.B. beim Ökolöwen.

Leider nutzen Kleingärtner*innen, die mit der Bewirtschaftung des Gartens überfordert sind und deren Gärten verwildern, häufig die Begründung, es handele sich bei ihrem Garten um einen „Naturgarten“. Dies schadet dem Ansehen der echten Naturgärten. Umso wichtiger ist es, echte naturnahe Gärten von schlecht bewirtschafteten und ungepflegten Gärten zu unterscheiden, so auch bei den Gartenbegehungen.

Im Übrigen können auch Gärten, die übermäßig gepflegt, werden, den Forderungen nicht genügen: der unsachgemäße Einsatz von Folien und Geweben, Beton und Schotter, große Rasenflächen, Pools oder versiegelte Stellflächen zweckentfremden die vorgesehene Nutzung der Gärten. Die Böden sollen offen und naturbelassen bleiben. Unkrautmittel sind verboten, genauso wie Salz, Spülmittel oder Auftaumittel auf den Wegen. Zudem ist äußerste Vorsicht geboten bei der Verwendung von Lacken und allen anderen Chemikalien: diese sollten nicht in den offenen Boden sickern – dies schädigt nicht selten für Jahrzehnte Böden und Grundwasser und beeinträchtigt die Gesundheit von GartenfreundInnen – insbesondere Kindern, vergiftet Anbauerzeugnisse und schädigt Tiere und Pflanzen für viele Generationen. Das Vergraben von Müll, das Verbrennen von behandeltem oder verklebtem Holz, das Mulchen mit Pappe (mehr Infos hier) – all diese Stoffe landen in den Lebensmitteln, die im Garten angebaut werden und sollen im Kleingarten so wenig wie möglich zum Einsatz kommen.

Hier ein Orientierungsleitfaden:

naturnaher Gartenungepflegter Garten
Erster Eindruck
Die Gartenästhetik unterscheidet sich von klassischen Gärten. Der Garten wirkt dichter bepflanzt, wilder und natürlicher. Struktur und unterschiedlich gestaltete Bereiche sind aber erkennbar.Auch bei näherer Betrachtung ist keine Struktur im Garten erkennbar. Das Durchkommen kann sogar erschwert sein, z.B. durch Brombeerdickichte.
Bei genauem Hinsehen wirkt der Garten genutzt und nicht unkontrolliert verwildert. Die Nutzung verteilt sich unterschiedlich stark auf einzelne Bereiche.Der Garten sowie die baulichen Einrichtungen sehen in der Gesamtheit ungenutzt, verwildert, sogar verfallen aus. Es ist über längere Zeit kein menschliches Eingreifen erkennbar.
Es besteht eine große Vielfalt an Kulturpflanzen, Wildpflanzen werden miteinbezogen.Durch fehlendes Eingreifen hat sich häufig bereits eine oder wenige dominante Arten etabliert, was die Vielfalt geg. verringert.

Gärtnerische Aktivitäten
Parzelleninhaber*in ist regelmäßig (im Regelfall mind. 2x pro Woche) auf der Parzelle und arbeitet dort. Gärtnerische Aktivitäten sind erkennbar.Parzelleninhaber*in ist kaum anwesend. Kaum gärtnerische Aktivitäten erkennbar.
Kleingärtnerische Nutzung ist vorhanden, manchmal durch Mischbepflanzung nicht so scharf abgegrenzt. Häufig gibt es eine Vielfalt an Wildobst, alten Sorten und wenig bekannten oder in Vergessenheit geratenen Nutzpflanzen.Anbauflächen sind nicht vorhanden oder schlecht kultiviert: Pflanzen sind vertrocknet, überreif oder mit Pflanzenkrankheiten stark befallen.
Die Vorschriften laut Bundeskleingartengesetz und Unterpachtvertrag werden beachtet, Heckenhöhe und Abstandsregeln werden eingehalten.Häufig wird die angebliche Naturnähe als Argument genutzt, um bestehende Regeln zu missachten (ungeschnittene Hecken, unzulässiger Aufwuchs von Gehölzen).
Fläche vor der Parzelle nicht kahl sondern ggf. bepflanzt, aber gepflegt. Wildstauden, ausgewählte Wildkräuter wie z.B. Königskerze, oder Aussaat einer Blütenrasenmischung.Fläche vor der Parzelle nicht bearbeitet, jede Art von Wildkräutern, Rasen nicht gemäht.

Wildpflanzen
Aufwuchs von sich aussamenden, hochwachsenden Laubbäumen wird entfernt.Gehölzaufwuchs von Ahorn, Birke, Robinie, Ulme und anderen Pionierarten wird nicht entfernt.
Kletterpflanzen wie Efeu, Waldrebe, wilder Hopfen werden entfernt oder zurückgeschnitten, damit sie nicht in die Gehölze wachsen oder Zäune belasten.Wilde Kletterpflanzen wachsen in die Obstbäume und nehmen ihnen Licht. Große, ungepflegte Mengen wilder Hopfen oder Waldrebe hängen an Zäunen.
Hoher Anteil an Wildkräutern, alter Bestand von Zier- und Kulturpflanzen wird meist eingebunden. Die Ausbreitung vonWildpflanzen wird gesteuert durch jäten, was am Kompost erkennbar ist.Wildkräuter und Spontanvegetation verteilen sich gleichmäßig über den ganzen Garten. Alter Bestand von Zier- und Kulturpflanzen wird bedrängt. Regulierende Eingriffe sind nicht erkennbar.
Sehr dominante Wildkräuter werden vollständig entfernt (z.B. Wurzelunkräuter Ackerkratzdistel, Quecke) oder stark in der Ausbreitung kontrolliert (z.B. Giersch)Sehr dominante Wildkräuter breiten sich unkontrolliert aus und verringern die Vielfalt im Garten.

Rasen/ Wiese
Rasen mit vielen Beikräutern wie Klee oder Gänseblümchen und/oder Blumenwiese (2x pro Jahr gemäht). Optisch im Sommer eher trocken, da nicht bewässert.Lange nicht gemähter Rasen mit erstem Gehölzaufwuchs und mehrjährigen Arten wie Goldrute, Rainfarn, Beifuß etc.

Obstbäume
Obstbäume sind beerntet, kein herumliegendes Fallobst.Fruchtmumien am Baum, herumliegendes Fallobst.
Obstbäume werden regelmäßig (Jungbäume jedes Jahr) fachgerecht geschnitten.Obstbäume wurden noch nie oder lange Zeit nicht geschnitten.

Kompost
Muss immer vorhanden sein! Wird regelmäßig genutzt (frisches Pflanzenmaterial ist darin zu finden), umgesetzt und geerntet.Kein Kompost vorhanden oder lange nicht bewirtschaftet. Es ist darauf kein frisches Pflanzenmaterial erkennbar, fertiger Kompost wird nicht geerntet, kein Platz zum Umsetzen vorhanden.

Recyclingmaterial
Nachhaltigkeit wird durch Gestaltung mit Altmaterialien und bereits vorhandenen Materialien erreicht. Diese werden für einen bestimmten Zweck verwendet und ggf. zur Wiederverwendung geordnet gelagert, aber kein herumliegender Müll.Oft herumliegender Müll, der mit der Gartennutzung nichts zu tun hat (Metallschrott, Autoreifen, alte Möbel, kaputte Gartengeräte etc.) Kein bestimmter Zweck erkennbar.

Ökologische Strukturen
Es gibt zahlreiche Strukturen wie Totholzhaufen und Lesesteinhaufen, Brennnesselecken etc. Die bewusste Gestaltung dieser Orte ist erkennbar z.B. an deren Begrenzung.Strukturen, die Lebensräume für Tiere und Pflanzen darstellen, fehlen komplett, sind nicht bewusst gestaltet oder befinden sich am falschen Standort.
Totholzhaufen können im Schatten oder in der Sonne liegen. Ungenutzte, hintere Ecken des Gartens bieten sich an, da der Haufen zwar über die Zeit erweitert, aber nicht bewegt werden darf. Jegliches naturbelassene Holz kann verwendet werden.Behandeltes Holz, z.B. gestrichene Regalbretter, gehören nicht in den Totholzhaufen. Keine Vermischung mit anderen Materialien, z.B. Altmetall.
Der Standort für Lesesteinhaufen sollte sonnig und windgeschützt sein, damit z.B. Eidechsen sich darin verstecken oder überwintern können. Verwendet werden Natursteine, die im Garten oder in der umliegenden Gegend gefunden werden (ortstypisches Gestein).Angehäufter Bauschutt und herumliegender Betonbruch, häufig mit anderen Materialien vermischt, ist kein Lesesteinhaufen.
Diese Inhalte sind z.T. nah angelehnt an die Veröffentlichung von Frau Elisabeth Schwab und vom BV-Neukölln